Es gibt einen Fehler, der sich in nahezu jede Examensvorbereitung einschleicht – und er gehört zu den folgenschwersten überhaupt: die Vollständigkeitsfalle.
Was meine ich damit? Viele glauben, sie müssten erst den kompletten Stoff beherrschen, bevor sie anfangen dürfen, ihr Wissen an echten Fällen zu testen. Klingt auf den ersten Blick logisch – ist es aber nicht. Denn wer so denkt, tappt schnell in einen Kreislauf, aus dem er nur schwer wieder herausfindet.
Du sitzt stundenlang über Skripten, Lehrbüchern und Karteikarten. Dein Ziel: „erstmal alles lernen“. Was auch immer „alles“ bedeuten soll. Du versuchst dir das examensrelevante Wissen anzueignen – systematisch, vollständig, lückenlos. Doch die Stoffmenge ist riesig. Genauer gesagt: unendlich.
Du wirst nie wirklich „fertig“. Und je länger du wartest, desto größer wird der Druck. Du fühlst dich überfordert – und schiebst das, worauf es eigentlich ankommt, immer weiter vor dir her: die Arbeit an echten Fällen. Erst am Freitag. Dann nächste Woche. Irgendwann.
Ich erinnere mich noch gut an mein eigenes Desaster: Im Hauptstudium habe ich mich auf eine Abschlussklausur im Erbrecht vorbereitet. Mein Werkzeug: der BGB-Studienkommentar – damals noch unter der Herausgeberschaft von Kropholler, heute vermutlich von jemand anderem. Ich habe die Kommentierung zu jedem einzelnen Paragrafen gelesen – und versucht, sie auswendig zu lernen. Mein Gedanke war: Wenn ich jeden kommentierten Paragrafen kann, kann mich in der Klausur nichts mehr überraschen.
Das Ergebnis? Ich habe keine einzige Erbrechtsklausur geschrieben. Nicht mal einen Fall gelöst. Wochenlang nur Theorie. Dann kam die Klausur. Ich ging rein – und kurz darauf wieder raus. Null Punkte.
Nicht, weil ich nichts wusste. Sondern weil ich nichts anwenden konnte. Ich konnte all das Gelernte nicht zu Papier bringen. Und genau das ist der Punkt:
Das Examen prüft nicht, was du weißt – sondern wie du denkst.
Nur wer denkt – nicht nur konsumiert –, lernt auch, sein Wissen anzuwenden.
Wer in der Vollständigkeitsfalle steckt, verspielt wertvolle Zeit. Du lernst viel – aber fühlst dich nie bereit. Du gehst mit einem schlechten Gefühl ins Examen, obwohl du seit Monaten oder sogar Jahren systematisch lernst. Denn du glaubst: „Ich weiß noch nicht genug.“
Die Wahrheit ist: Du musst nicht alles wissen. Aber was du brauchst – das musst du wissen.
Deshalb ist es so entscheidend, dass die Arbeit an Fällen am Anfang deiner Vorbereitung steht – nicht am Ende. Sie bestimmt alle weiteren Schritte deiner Strategie. Sie ist der Kern.
Die Frage ist also nicht, ob du mit Fällen arbeitest – sondern wann du endlich damit anfängst, dich primär anhand von Fällen aufs Examen vorzubereiten.
Wie das konkret aussieht? Das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Aber es gibt bereits Inhalte dazu – auf dem Blog, auf YouTube, in meinen Kursen. Die wichtigste Erkenntnis ist: Nur so kommst du raus aus der Vollständigkeitsfalle.
Merke dir: Fälle stehen nicht am Ende, sondern am Anfang. Theorie ist kein Selbstzweck. Wer das versteht, verändert seine ganze Vorbereitung.
… und wenn du heute nur diesen einen Gedanken von hier mitnimmst.
Steckst du noch in der Vollständigkeitsfalle?
Wenn du wissen willst, ob deine Vorbereitung auf Kurs ist – ob du bald antreten kannst oder besser noch warten solltest –, dann hol dir meine kostenlose Checkliste „Bereit fürs Examen?“. In fünf Minuten findest du heraus, ob du noch in der Vollständigkeitsfalle steckst – oder bereit bist für eine neue, sinnvollere Vorgehensweise.
Du findest die Checkliste unter
bereitfuersexamen.de
Und wenn du den Post von letzter Woche zum Thema Lernpläne noch nicht gesehen hast – unbedingt anschauen. Denn Lernpläne und Vollständigkeitsfalle gehören untrennbar zusammen.
Du findest ihn unter
https://endlich-jura.de/blog/lernplan-jura-examen-planungsfehlschluss
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