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⏱️ Lesezeit: 5 Minuten

Du kannst nicht alles lernen, aber du kannst systematisch vorgehen. Statt wild alles Mögliche zu den wichtigsten Themen aufzusaugen, solltest du zunächst zusehen, dass du die Basics beherrschst, und dich dann auf die Klassiker konzentrieren.

Die Existenz der To-do-Less™ zeigt schon, dass ich nicht per se gegen das Theorie-Lernen bin. Natürlich brauchst du theoretisches Wissen. Aber es kommt auf die Strukturebene an: Gesetzliche Grundstrukturen helfen dir weiter. Spezialprobleme, die nur einmal in zehn Jahren vorkommen, eher nicht.

Was die Basics sind, lässt sich am besten an einer hierarchischen Struktur erklären. Als beliebiges Beispiel wähle ich § 315b StGB.

Wesentliche Rechtsnormen: die Normen, die geeignet sind, einen Fall zu entscheiden, etwa § 315b StGB. Duh.

Gesetzliche Systematik: Regelungskreis, Rechts-/Deliktsnatur, Personenverhältnisse, Tatbestand und Rechtsfolge, logischer, universell einsetzbarer Prüfungsaufbau, bei § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB etwa gemeingefährliche Straftat (Regelungskreis), konkretes Gefährdungsdelikt (Deliktsnatur), Hindernisbereitung, Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs, Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremden Sachen von bedeutendem Wert (Prüfungsaufbau).
Wenn dir das bekannt vorkommt: Das ist schlicht die Form von Normtechnik, die du später in jeder Fallbearbeitung ohnehin anwendest.

Tatsächlich einfache Fälle: simple, superkurze Fälle, die du ohne mit der Wimper zu zucken subsumieren kannst, etwa wenn M Steine auf eine belebte Landstraße legt, ein Autofahrer sie zu spät bemerkt, ausweichen muss und von der Fahrbahn abkommt.

Einzelwissen und ungeregelte Institute: Konzepte oder Tatbestandsmerkmale, deren Erfordernis du dir nicht ohne Weiteres erschließen kannst, etwa dass § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB bei der Pervertierung eines Straßenverkehrsvorgangs bedingten Schädigungsvorsatz voraussetzt.

Vertiefte Kenntnisse: Rechtsfragen und Rechtsprobleme, über die Streit in Rechtsprechung und Literatur herrscht, etwa ob § 315b auch solche Konstellationen erfasst, in denen der Täter zwar die Tathandlung im öffentlichen Verkehrsraum ausführt, der Gefahrerfolg aber auf einer nicht öffentlichen Fläche eintritt. Und nein, das gehört nicht mehr zu den Basics 😅

Wie du diese Hierarchie im Upside-down-Alltag nutzt

Vielleicht fragst du dich jetzt: »Okay, klingt sinnvoll – aber wann genau setze ich dieses Modell ein?«

Kurze Antwort: immer dann, wenn du vertiefst.

Konkret heißt das:

  • wenn ein Thema auf deiner To-do-Less landet,
  • wenn dir ein Problem in mehreren Klausuren wehtut oder
  • wenn ein Top-Thema aus den Examensklassikern immer wieder aufpoppt.

Dann ziehst du genau dieses eine Thema raus und jagst es einmal durch die Ebenen. Nicht ein ganzes Fach von vorne bis hinten. Nur dieses eine Thema.

Stell dir vor, auf deiner To-do-Less™ steht: »§ 823 Abs. 1 – Eigentum vs. reines Vermögen«.

Ein Teil deines Vertiefungsslots sieht dann so aus:

1. Wesentliche Rechtsnorm klären
Du schlägst § 823 Abs. 1 BGB auf und machst dir klar:

  • Was wäre, wenn es die Norm nicht gäbe?
  • Welche Rechtsgüter und Rechte stehen überhaupt im Gesetz? 

2. Gesetzliche Systematik und Prüfungsaufbau
Du schreibst dir den Standardaufbau einmal sauber zusammen:

Rechts(guts)verletzung – Kausale Verletzungshandlung – Widerrechtlichkeit – Verschulden – Kausaler Schaden – Schadensersatz

Dann machst du dir klar: An welcher Stelle spielt »Eigentum vs. Vermögen« eine Rolle?

3. Tatsächlich einfache Fälle
Du nimmst dir 1–2 Mini-Konstellationen vor, z. B.:

  • Auto zerbeult ➲ Eigentumsschaden.
  • Handy kaputt ➲ Eigentumsschaden.
  • Jemand wird zum Abschluss eines wirtschaftlich nachteiligen Vertrags veranlasst ➲ reiner Vermögensschaden.

4. Einzelwissen und Klassikerprobleme
Erst jetzt kommen typische Probleme ins Spiel: Konstellationen, in denen genau diese Abgrenzung tricky wird.

Damit ist das Thema bis auf Weiteres erledigt. Du musst danach nicht noch »alles zu § 823« im Kommentar nachlesen – du hast das bearbeitet, was dir im Fall auf die Füße gefallen ist.

Wie das in die perfekte Woche passt

Die Upside-down-Methode lebt davon, dass du jeden Tag mit echten Fällen arbeitest. Die Vertiefung ist kein eigenes Leben nebenher, sondern hängt direkt an deinen Fällen.

In der perfekten Woche heißt das:

  • Du hast feste Vertiefungsslots (z. B. ein bis zwei Mal pro Woche).
  • In diesen Slots öffnest du deine To-do-Less, wählst ein Thema aus und arbeitest es mithilfe von Rechtsprechung oder Literatur entlang der Hierarchie ab.
  • Taucht später in einem Fall dieselbe Baustelle auf und du hängst wieder, ist das kein Drama, sondern ein Signal: Offensichtlich waren die Basics auf einer niedrigeren Ebene noch nicht stabil. Dann gehst du gezielt dorthin zurück – und wiederum nicht durch das komplette Lehrbuchkapitel.

So verhinderst du zwei Extreme:

  • Du verlierst dich nicht in exotischen Streitständen, die nie wieder drankommen.
  • Du bleibst nicht ewig oberflächlich, weil du die Klassiker nie einmal sauber durchgearbeitet hast.

Was du mit diesem Modell ausdrücklich nicht tun sollst

Nur damit wir uns nicht falsch verstehen:

  • Es ist keine Einladung, dir wieder eine Monsterliste aller Normen zu bauen und sie Theorie-first abzuhaken.
  • Es ist kein neues »Pflichtstoff-Programm«, das du unabhängig von Fällen durchläufst.
  • Es ist nicht dafür gedacht, an einem Nachmittag »einmal StGB AT komplett« runterzubügeln.

Das Modell ist eine Bedienungsanleitung für deine Vertiefung, nicht das nächste Kontrollinstrument. Du startest immer mit einem konkreten Problem aus einem Fall; erst dann greifst du zu dieser Hierarchie.

Wenn du das verwechselst, bist du da, wo du nie wieder hinwolltest: beim Stoffkaufen auf Vorrat.

Wenn du alles auf einmal lernen willst, wirst du schnell überfordert sein und wieder in der Vollständigkeitsfalle landen. Du musst anfangen, die Dinge in Schichten zu betrachten. Zunächst die Basics, die das Fundament für alles Weitere bilden. Sobald du die verstanden hast, kannst du darauf aufbauen. Andersherum funktioniert es nicht.

Auf die Basics folgen die Klassiker – die »Evergreens« in den Klausuren. Zwar lassen sich auch diese mit den Basics und entsprechenden Denk- und Arbeitsmethoden lösen; du gewinnst in der Klausurbearbeitung aber augenblicklich mehr Sicherheit, wenn du die bekanntesten Konstellationen rund um die Kernthemen abrufbereit gespeichert hast.

Ich bin also trotz der Upside-down-Methode der Ansicht, dass es eines gewissen theoretischen Fundaments bedarf. Aber eben eher auf Überblicks- und weniger auf Detailebene. Wer die großen Zusammenhänge versteht, kann Details problemlos nachschlagen. Wer hingegen nur Details kennt, steht bei jeder neuen Fallkonstellation wieder am Anfang.

Kurze Randnotiz: Wir haben heute 2 % unseres Jahresgewinns an das WDR 2-Weihnachtswunder gespendet. Kein Marketing, kein Call-to-Action – einfach, weil ich die Aktion feiere und sie hier unten ins PS passt.

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