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JNG #264: SAFE-Formel für einen überragenden Streitentscheid in 20 Minuten (Teil 2)

Lesezeit: 6 Minuten 

Schnell und präzise zu einem fundierten Streitentscheid zu kommen, ist eine der großen juristischen Künste. In diesem Zweiteiler stelle ich dir daher meine bewährte SAFE-Formel vor, die dir dabei helfen wird, deine Argumente a) effizient zu strukturieren und b) überzeugend zu präsentieren. Solltest du den ersten Teil verpasst haben, so schau entweder noch mal in deine E-Mails vom 24. April oder klick einfach hier.

Um die praktische Anwendung der Formel noch anschaulicher zu machen, greifen wir auf eine Rechtsfrage zurück, die alle vier Schritte illustriert, und zwar:

Hat der Käufer einer mangelhaften Sache einen Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB auf Erstattung der Kosten, die ihm für die Beauftragung eines Sachverständigen zur Ermittlung der Mangelursache entstanden sind?

Der erste Schritt zur Beantwortung dieser Frage bestand darin, die für das Rechtsproblem relevanten Meinungen zu identifizieren. Hierbei geht es darum, die aus dem Studium bekannten Ansichten effektiv zu nutzen, sich diese zu erschließen oder eigenständige Lösungsansätze zu entwickeln. Das Ziel ist es, die Argumente schnell zu erfassen und in eine übersichtliche Struktur zu bringen, die dir hilft, den Überblick zu behalten. 

Nachdem du die verschiedenen Meinungen strukturiert hast, ist es im zweiten Schritt Zeit, sie gründlich zu analysieren. Um das effektiv zu tun, kannst du dir fünf Fragen stellen und mit der Zeit einen eigenen Kriterienkatalog entwickeln:

  1. Wie stark sind die rechtlichen Grundlagen des Arguments?
  2. Ist das Argument logisch nachvollziehbar?
  3. Taucht das Argument in wegweisenden Leitentscheidungen auf?
  4. Ist das Argument heutzutage noch relevant?
  5. Ist das Argument klar und verständlich?

Kommen wir zum dritten Schritt der SAFE-Formel …

Schritt 3: Formulierung der Entscheidungshypothese

Auf Basis einer gründlichen Analyse der Argumente erarbeitest du nun eine vorläufige Entscheidungshypothese. Dies ist dein eigener juristischer Standpunkt, den du später als Antwort auf die aufgeworfene problematische Rechtsfrage verfassen wirst. Um eine solide Hypothese zu entwickeln, folge diesen Richtlinien:

  • Zusammenfassung der stärksten Argumente: Beginne damit, die stärksten Argumente, die du in der Analysephase identifiziert hast, zusammenzufassen. Diese Argumente bilden das Rückgrat deiner Hypothese.
  • Integration und Synthese: Versuche, die Argumente nicht nur zu listen, sondern auch miteinander zu verknüpfen. Zeige auf, wie die einzelnen Argumente ineinandergreifen und zusammen ein kohärentes Bild ergeben.
  • Berücksichtigung gegnerischer Meinungen: Es ist wichtig, auch gegnerische Meinungen zu berücksichtigen. Schließlich musst du später erörtern, warum diese Meinungen in deiner Analyse weniger überzeugend waren. Dies zeigt, dass du eine umfassende Prüfung vorgenommen hast, und stärkt die Glaubwürdigkeit deiner Hypothese.

Durch das Befolgen dieser Richtlinien stellst du sicher, dass deine Hypothese ein solides Fundament für deinen endgültigen Streitentscheid bildet. 

Für den dritten Schritt der SAFE-Formel, »Formulierung der Entscheidungshypothese«, im Kontext des vorgegebenen Rechtsproblems, könnte das wie folgt aussehen:

»Hypothese: Der Käufer einer mangelhaften Sache hat unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB auf Erstattung der Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen zur Ermittlung der Mangelursache.

➡️ Begründung:

  • Rechtliche Grundlage: alle »zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen« vom Verkäufer zu tragen
  • Verknüpfung der Argumente: Entstehung der Sachverständigenkosten ergibt sich unmittelbar aus Bedarf, Mangelursache zu ermitteln, um passende Form der Nacherfüllung bestimmen zu können; Kosten somit als Teil der erforderlichen Aufwendungen anzusehen
  • Historische und aktuelle Relevanz: fortlaufende Anwendung und Bestätigung dieser Auslegung durch aktuelle Urteile
  • Gegenargumente: Sachverständigenkosten dienen Rechtsverfolgung und werden nicht unmittelbar zur Nacherfüllung benötigt
  • Widerlegung der Gegenargumente: weniger überzeugend, sobald Mangel ohne sachverständige Einschätzung nicht ermittelt werden kann; Entstehung der Kosten folgt dann unmittelbar aus Komplexität des Mangels
  • Diskussionsansätze:
    - Intention des Gesetzgebenden, Käufer nicht die Last der Beweisführung für Mangel aufzubürden
    - Erstattung der Sachverständigenkosten erhöht Gefahr von Missbrauch, da Käufer unnötig Experten einschalten könnten«

 

Schritt 4: Entscheiden des Streits

Jetzt ist es an der Zeit, deine Entscheidung zu finalisieren. Formuliere deinen Standpunkt klar und überzeugend. Achte darauf, dass deine Argumentation alle wesentlichen Punkte abdeckt und deine Fähigkeit unter Beweis stellt, die erarbeitete Lösung präzise und überzeugend zu präsentieren. Hier sind ein paar Punkte, die den Unterschied machen:

  • Überprüfung, Verfeinerung und Reflexion: Nachdem du deine Entscheidungshypothese formuliert hast, solltest du sie noch einmal gründlich überprüfen. Stelle sicher, dass deine Argumentation rechtsfehlerfrei und stringent ist. Dies beinhaltet oft auch das Feilen an der Sprache und Struktur. In diesem Schritt reflektierst du zudem kritisch über deine eigene Argumentation. Du bewertest, ob du alle relevanten Aspekte des Falls bedacht hast und ob die Entscheidung tatsächlich einer logischen rechtlichen Analyse folgt.
  • Form und Präsentation: Der endgültige Streitentscheid muss nicht nur inhaltlich überzeugen, sondern auch formal den Erwartungen entsprechen. Dies beinhaltet die richtige Verwendung von Fachterminologie sowie die Beachtung stilistischer Konventionen.
  • Konklusion: Der Schluss deiner Argumentation sollte eindeutig sein. Hier bekräftigst du deine These und unterstreichst so auch die Bedeutung deiner Argumente. Die Konklusion sollte so gestaltet sein, dass sie keine Zweifel an der Richtigkeit deiner Entscheidung lässt.

Der Übergang von der Entscheidungshypothese zum endgültigen Streitentscheid kann auf den ersten Blick subtil erscheinen. Im Wesentlichen ist die Entscheidungshypothese eine vorläufige Formulierung deiner Schlussfolgerungen, die auf einer eingehenden Analyse der Argumente basiert. Sie ist ein erster Entwurf deines Standpunkts. Der endgültige Streitentscheid dagegen ist die finale, vollständig ausgearbeitete und polierte Version dieses Standpunkts, der auch die Form erfüllt, die in einer Klausur von dir erwartet wird. Dies unterscheidet sie von der eher vorbereitenden und tentativen Natur der Entscheidungshypothese.

Für den vierten Schritt der SAFE-Formel, »Entscheiden des Streits«, im Kontext des vorgegebenen Rechtsproblems, könnte das wie folgt aussehen:

»439 Abs. 2 BGB sieht vor, dass der Verkäufer alle zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen hat. Aufgrund der Absolutheit der Formulierung liegt es daher nicht fern, dem Verkäufer alle Kosten aufzutragen, die jedenfalls im Zusammenhang mit der Nacherfüllung stehen. Da es sich bei den aufgeführten Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zudem nur um Regelbeispiele handelt, ist die Kostentragungspflicht mit Blick auf Sachverständigenkosten nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Rechtsprechung hat bestätigt, dass dies auch die Kosten für Sachverständige beinhalten kann, wenn diese zur Ermittlung der Mangelursache notwendig waren. Diese Lösung bekräftigt das Recht des Käufers auf eine umfassende Nacherfüllung und stellt sicher, dass dem Käufer nicht entgegen § 477 BGB bei einem abweichenden Zustand der Ware die Darlegungs- und Beweislast für einen Mangel aufgebürdet wird. Sie unterstützt damit die mit § 439 BGB bezweckte starke Rechtsposition des Käufers.

Obgleich Sachverständigenkosten in erster Linie der Rechtsverfolgung dienen und keine unmittelbaren Kosten der Nacherfüllung darstellen, stößt dieses Verständnis an seine Grenzen, sobald der Mangel ohne sachverständige Einschätzung gar nicht ermittelt werden kann. Die Entstehung der Kosten folgt in diesen Fällen unmittelbar aus der Komplexität des Mangels und ist somit zur Nacherfüllung erforderlich.

Zwar erhöht die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten die Gefahr von Missbrauch, da Käufer unnötig Sachverständige beauftragen könnten; dieser Gefahr kann jedoch durch die Beschränkung auf tatsächlich vorhandene Mängel und solche, die bei der Untersuchung durch den Käufer nicht erkennbar waren, effektiv begegnet werden.

Obwohl einige Argumente gegen die Erstattungsfähigkeit sprechen, überwiegen auch mit Blick auf die Praktikabilität der Mängelfeststellung die Argumente für eine Erstattung.

Somit hat der Käufer einer mangelhaften Sache einen Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB auf Erstattung der Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen zur Ermittlung der Mangelursache, sofern sie zur Feststellung eines tatsächlich vorhandenen Mangels notwendig war und der Mangel bei der Untersuchung durch den Käufer nicht erkennbar war.«


Abschluss

Ich bin sicher, du wirst mit der SAFE-Formel in deinen nächsten Klausuren überzeugende und fundierte Streitentscheide treffen. Übe die vier Schritte regelmäßig, um sie zu verinnerlichen und mit der Zeit ein besseres Gespür für die Überzeugungskraft eines Arguments zu entwickeln. Um deine persönliche Effektstärke mit der SAFE-Formel zu steigern, solltest du sie in verschiedenen Kontexten anwenden. Hier sind einige konkrete Empfehlungen, wie und wann du die Formel am besten einsetzen kannst:

  • Während des Lernens: Integriere die Übung der SAFE-Formel in deine Lernroutinen. Versuche anfangs, sie bei jeder Bearbeitung eines Falls zumindest gedanklich zu durchlaufen, um die einzelnen Schritte zu automatisieren.
  • In Lerngruppen: Nutze Lerngruppensessions, um die Formel gemeinsam anzuwenden. Diskutiert unterschiedliche Ansätze und Meinungen innerhalb der Gruppe, um ein tieferes Verständnis für jeden Schritt der Formel zu entwickeln. Das Feedback der Gruppe kann auch helfen, Schwächen in der eigenen Argumentation zu erkennen und auszubessern.
  • Im Klausurenkurs: Nutze Klausurenkurse mit Altklausuren, um deine Fähigkeiten unter Prüfungsbedingungen und Zeitdruck zu testen. Das hilft nicht nur, theoretisches Wissen praktisch anzuwenden, sondern auch die Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit der Methode in verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen zu sehen.

Um deine Fähigkeit weiterzuentwickeln, aus dem Stegreif schlüssige Argumente zu finden, empfehle ich dir meinen Videokurs 100 % vertretbar. Darin lernst du drei simple Schritte, jedes Klausurproblem im Zivilrecht zu lösen. Dieser Kurs ist eine wertvolle Ressource, um das heute Gelernte sinnvoll zu ergänzen.

 

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