JNG #251: Schadensersatz statt und neben der Leistung 😱

Lesezeit: 2,5 Minuten

Welche Schäden im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung ersatzfähig sind, ist seit Ewigkeiten Gegenstand juristischen Diskurses. In Rechtsprechung und Literatur finden sich im Wesentlichen zwei Abgrenzungsformeln: der begriffs- und der zeitbezogene Ansatz. Beide solltest du in Klausuren, in denen die Abgrenzung entscheidungserheblich ist, möglichst umfassend darstellen.

I. Begriffsbezogener Ansatz

Der begriffsbezogene Ansatz versteht Schadensersatz statt der Leistung ganz wörtlich als den Schadensersatz, der an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung tritt. Über den Schadensersatz statt der Leistung ist demnach nur das sog. Äquivalenzinteresse ersatzfähig. Dies ist das Interesse des Gläubigers, eine gemessen an seiner Gegenleistung gleichwertige Leistung zu erhalten und diese planmäßig verwenden oder verwerten zu können.

Angenommen, du kaufst einen Pkw bei mir, der im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft ist. Weil du das doof findest, lässt du den Pkw bei meiner Konkurrentin X reparieren, die dir dafür angemessene 1.500 € in Rechnung stellt. 

Um herauszufinden, ob die 1.500 € Schadensersatz statt der Leistung sind, fragst du dich zunächst: Was hat Michael mir ursprünglich geschuldet? Antwort: Übergabe und Übereignung eines mangelfreien Pkw (vgl. § 433 Abs. 1 BGB). Treten die 1.500 € an die Stelle der von Michael geschuldeten Leistung? Ja, denn wenn du 1.500 € bei X investierst, bekommst du genau das, was ich dir geschuldet habe – einen mangelfreien Pkw.

Tatsächlich einfache Fälle des Schadensersatzes statt der Leistung sind die Rückgewähr der Gegenleistung, der Ersatz des Wertes der Sache, die Mehrkosten eines Deckungskaufs und die Kosten einer Ersatzvornahme (s. zu letzterem o. g. Beispiel). Alle anderen Schäden (solche, die das Integritätsinteresse des Gläubigers berühren) sind im Wege des Schadensersatzes neben der Leistung zu ersetzen.

II. Zeitbezogener Ansatz

Der zeitbezogene Ansatz stellt darauf ab, ob der Schadenseintritt durch eine Nachholung der geschuldeten Leistung respektive Nacherfüllung noch abgewendet werden kann, genauer gesagt, ob eine Fristsetzung weiterhin Sinn ergibt. Dem Schadensersatz statt der Leistung sind somit alle Schäden zuzurechnen, die vermieden worden wären, wenn der Schuldner im spätestmöglichen Zeitpunkt noch vertragsmäßig geleistet hätte.

Testfrage: Würde der geltend gemachte Schaden entfallen, wenn der Schuldner jetzt respektive im letztmöglichen Zeitpunkt (also vor Wegfall der Leistungspflicht wegen der §§ 275 Abs. 1, 281 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB) noch leistet/ geleistet hätte? 

Falls ja, ist der Schaden im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung ersatzfähig; das gilt – anders als nach o. g. Auffassung – auch für Verzögerungsschäden, die begriffsbezogen dem Integritätsinteresse unterfallen.

Selber Fall wie oben – du lässt den Pkw wiederum bei meiner Konkurrentin X reparieren. Die Reparatur dauert – was für eine solche Reparatur üblich ist – drei Werktage. Da du den Wagen während der Reparaturdauer nicht nutzen kannst, möchtest du die Kosten erstattet haben, die bei einem für drei Tage gemieteten Kleinwagen zum Preis von 80,– € pro Tag entstanden wären.

Wäre der geltend gemachte Schaden entfallen, wenn ich im letztmöglichen Zeitpunkt noch geleistet hätte? Nein, denn auch bei hypothetisch gedachter Reparatur durch mich wären die Kosten, die mit einem Mietwagen verbunden sind, entstanden. Es spielt insofern keine Rolle, wer die Nacherfüllung vornimmt. Es handelt sich immer um Schadensersatz neben der Leistung.

III. Stellungnahme

Der zeitbezogene Ansatz legt der Abgrenzung ein unzweideutiges Entscheidungskriterium zugrunde und ermöglicht somit eine trennscharfe Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung. Ist die Fristsetzung jedoch entbehrlich (etwa wegen § 281 Abs. 2 BGB) oder ist § 283 BGB einschlägig, bei dem eine Fristsetzung von vornherein nicht zielführend ist, ist die Testfrage unpassend. Die Beantwortung einer Rechtsfrage derartigen Gewichts sollte aber nicht von einer nur punktuell einsetzbaren Abgrenzungsformel abhängig sein. Überzeugend erscheint m. E. deshalb ein Festhalten am begriffsbezogenen Ansatz.

Wie heißt es so schön? Andere Auffassung vertretbar. 🤪


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